Immer Ärger mit den Mitarbeitern?

Wenn ein Mensch Führungskraft oder gar Unternehmer wird, dann in der Regel weil er ein Freigeist oder in seinem Fach besonders gut und voller Begeisterung für seine Arbeit ist. Aber reicht das? Schnell leidet die Euphorie durch Konflikte im Alltag. Arbeiten könnte so viel Spaß machen, wenn nicht immer der Ärger mit den Mitarbeitern wäre!

Ulla Nagel im Konfliktlösungsgespräch

Viele Selbstständige denken am Anfang eher an fachliche Fragen als an Mitarbeiter und ihre Führung. Andere wiederum wissen von Beginn an, dass ihr Geschäft ohne Mitarbeiter nicht funktionieren kann. Die meisten leben von versierten Mitarbeitern. Auch jemand, der sich in einem Unternehmen als angestellte Führungskraft bewirbt, weiß, dass er in erster Linie Menschen führen wird. Doch die Herausforderung Führung wird immer wieder unterschätzt. Nach einem begeisterten Start in die neue Tätigkeit folgt bald das erste Stöhnen: Die Arbeit könnte ja soviel Spaß machen, wenn nicht immer wieder der Ärger mit den Mitarbeitern wäre!
Zugegeben: Es wird von Führungskräften viel verlangt. In ihrem Fach sollen sie sich mit besonderen Ideen und Leistungen hervortun (man stelle sich einen Chef vor, der fachlich eine Niete ist… ), die richtigen und wichtigen Informationen aufspüren, die Zukunft voraussehen, den Kunden Rede und Antwort stehen und außerdem auch noch in die Augen aller Mitarbeiter schauen, um herauszufinden, wie es ihnen heute geht. Wer braucht ein Lob oder eine Kritik, wer eine Motivationsspritze? Wo muss getröstet werden, wo ist ein Problem zu lösen? Wer hat das Ziel nicht mehr vor Augen? Wo köchelt ein Konflikt? Wer läuft Gefahr, auszubrennen? Wie geht man mit ihm um?

 

Im digitalen Zeitalter ist Führung zu einem noch komplexeren und noch schwierigeren Sachverhalt geworden. Alle wirtschaftlichen Prozesse vollziehen sich in immer rasanterem Tempo. Spontane Kursänderungen sind an der Tagesordnung. Wer kann schon mit Sicherheit auf lange Sicht vorausplanen?
Führungskräfte, Unternehmer wissen häufig nicht viel besser als ihre Spezialisten, wo die Reise hin geht, was die Zukunft bringen wird, sehen sich aber immer größeren Zukunftsängsten ihrer Mitarbeiter gegenübergestellt. Dieses Bangen ist mit einfachen Parolen nicht wegzuwischen.
Mitarbeiter spüren, dass Führungskräfte bei Weitem nicht mehr diese gefühlte „Allmacht“ vorweisen können, die dem typischen autoritären Vorgesetzten oder Firmenpatriarch aus dem letzten Jahrhundert unbeanstandet zugebilligt wurde. Mitarbeiter fühlen sich verunsichert, denn gerade in turbulenten Situationen wünschen sie sich klare Orientierung und festen Halt. Insgeheim spotten sie schließlich über Führungskräfte, die selbst nicht viel mehr wissen oder zu sagen haben als sie. Das allerdings hilft weder ihnen noch den Chefs, die sich in bester Absicht in der Sandwichposition zwischen Kunden und Vorstand oder Aufsichtsrat oder Kunden und Mitarbeitern um allseitige Akzeptanz bemühen und nicht selten den Arbeitstag immer länger ausdehnen, um allen und allem gerecht zu werden.
Schauen wir uns einmal an, mit welchen frustrierenden Situationen sich ein Chef im Alltag häufig herumschlagen muss. Kommt Ihnen etwas bekannt vor?

  

Die Nöte der Chefs: 13 typische Ärgernisse 

 

Kritischer Mittarbeiter

Der „schwierige“ Mitarbeiter …

  1. denkt eher an seinen Feierabend als an den Auftrag, der dringend noch raus muss.
  2. ist in seinen Gedanken schon zu Hause und sieht gar nicht, wie sich der Chef noch abrackert.
  3. schwatzt lieber mit den Kollegen als die Schreibtischarbeit zu erledigen.
  4. vertrödelt sich in der Kaffeeküche anstatt die Kunden anzurufen.
  5. erklärt, was alles nicht geht, anstatt Lösungen zu präsentieren.
  6. ergeht sich bei Kritik in Rechtfertigungen anstatt sie anzunehmen und daraus zu lernen.
  7. widerspricht dem Chef und schlägt stattdessen Dinge vor, die er nicht durchdacht hat.
  8. arbeitet „husch, husch“, um schnell fertig zu sein und verprellt den Kunden durch schlechte Qualität.
  9. sichert sich lieber umständlich ab, als einfach einmal etwas auf Zuruf zu erledigen.
  10. schwärzt seine Kollegen beim Chef an, anstatt seine Probleme mit ihnen selbst auszutragen.
  11. reagiert so empfindlich, dass man ihm keine Kritik geben kann.
  12. rennt gleich zum Betriebsrat, wenn er Überstunden oder Zusätzliches machen soll.
  13. wird immer dann krank, wenn es auf monatliche/saisonale Anforderungsspitzen zugeht.

Führung ist Herausforderung! Und Herausforderungen hatten wir doch alle eigentlich gesucht. Ja, dann nehmen wir die Herausforderung doch einfach an und machen es nicht wie der Mitarbeiter Nr. 5, der immer nur erklärt, was schlecht ist, anstatt herauszufinden, wie es geht.

Wie können Sie sich in den 13 Führungssituationen erfolgreich verhalten?

Fall 1: Der Mitarbeiter denkt eher an seinen Feierabend als an den Auftrag, der dringend noch raus muss!

Es ist legitim, dass der Mitarbeiter an seinen Feierabend denkt. Immerhin hat er heute bereits viele Stunden fleißig gearbeitet. Sie sollten ihm das nicht missgönnen, sondern ihn spüren lassen, dass sein Feierabend für Sie etwas „Heiliges“ ist. Dann muss er sein Heiligtum nicht verteidigen, indem er sich zurückzieht und verschanzt. Es ist auch wichtig, dass er an seinen Feierabend denkt. Nur der Mitarbeiter, der seine Batterien aufladen und ein ausgeglichenes Leben führen kann, bleibt auf Dauer gesund, leistungsfähig und kreativ. Er ist konzentrierter und schneller.
Setzen Sie nichts als selbstverständlich voraus, was über den Arbeitsvertrag hinaus geht. Sagen Sie ihm, dass Sie wissen, dass sein Feierabend jetzt heran ist und dass es für Sie jetzt auch keine angenehme Situation ist, ihn zu bitten, noch solange zu bleiben, bis der Auftrag erledigt ist. Erklären Sie ihm kurz die Bedeutung des Auftrags und die möglichen Folgen bei Nichterledigung – für die Firma, für die Mitarbeiter und speziell für ihn. Vielleicht läuft die Firma Gefahr, ein Projekt nicht zu bekommen, an dem insbesondere er sich hätte weiterentwickeln können.
Räumen Sie gegebenenfalls einen Zeitausgleich ein. Es wird Situationen geben, in denen es für die Firma gut verträglich und für den Mitarbeiter eventuell noch nutzbringender erscheint, zusätzlich freie Stunden zu haben. Geben Sie dem Mitarbeiter glaubhaft einen Ausblick, dass diese Überstunden nicht zur Dauerlösung werden.

Am besten beziehen Sie ihn und das Team in generelle Überlegungen zur effektiveren Verteilung der Arbeit ein. Verabreden Sie eine Teamsitzung dazu in aller Kürze. Wenn Sie Ihre Mitarbeiter auf diese Weise ernst nehmen, lösen Sie die Entwicklung von Eigenverantwortung aus. Jeder Mensch empfindet Motivation, wenn er sich einbringen kann.

Fall 2: Der Mitarbeiter ist in seinen Gedanken schon zu Hause und sieht gar nicht, wie sich der Chef noch abrackert.

In einigen Aussagen zu Fall 1 können wir uns hier wiederholen. Aber es steckt noch mehr darin. Wenn Sie das Gefühl haben, dass bei Ihnen mit zweierlei Maß gemessen wird oder dass Ihr Einsatz von anderen nicht wahrgenommen bzw. als selbstverständlich hingenommen wird, sollten Sie sich fragen, woran das liegt. Als Unternehmer werden Sie in Ihre Firma immer mehr investieren als der Mitarbeiter, denn sie ist ja Ihr Eigentum.
Es ist durchaus überlegenswert, ob es nicht einen Weg gibt, Ihre Mitarbeiter am Umsatz oder Gewinn zu beteiligen. Wenn Mitarbeiter durch eigene Anstrengung Einfluss auf Ihr Einkommen nehmen können, ist das für viele interessant. Dann tritt der gleiche Mechanismus in Kraft, der auch Sie in Ihrem Engagement antreibt: Wie viele Angebote hat ein Mitarbeiter erstellt, wie viele davon in Zusagen verwandelt, wie viel Umsatz und Gewinn dabei erzielt? Wie viele Aufträge wurden abgewickelt, wie viele Einsatztage realisiert, wie viele Kunden aufgesucht? Voraussetzungen für ein solches Belohnungssystem sind geteilte Verantwortung, sauber beschriebene Prozesse und die Übersicht über Prozesskosten und Einnahmen. Daran hapert es in vielen kleinen Unternehmen, die ohne das Anlegen von Managementprinzipien einfach so gewachsen sind. Auch wird sich nicht jeder Arbeitsplatz für leistungsbezogene Bonuszahlungen eignen. Manche Mitarbeiter können nur sehr indirekt durch ihren Beitrag im Team auf das Ergebnis einwirken, so z.B. die Buchhalterin oder die Sekretärin. Eine Teamprämie kann hier vielleicht Wirkung entfalten und zusätzlich noch das Wir-Gefühl fördern.
Betrachten Sie nun auch Ihren Führungsstil: Warum demonstrieren Ihre Mitarbeiter zu wenig Hochachtung oder Mitgefühl für Ihren Einsatz, schauen vielleicht sogar weg, wenn Sie so schuften und helfen Ihnen nicht. Blicken Sie da eventuell in ein Spiegelbild, das Sie selbst geschaffen haben? Wie viel Wertschätzung und Mitgefühl bringen Sie Ihren Mitarbeitern entgegen, die sich täglich für den Schutz und die Mehrung Ihres Eigentums einsetzen? Es ist problematisch, den eigenen hohen Anspruch eins zu eins auf die Mitarbeiter zu übertragen. Wären diese wie Sie, würden sie nicht für Sie, sondern für ihre eigene Firma arbeiten. Bleiben Sie in Ihren Erwartungen gerecht und realistisch. Bedanken Sie sich für die geleistete Arbeit und loben Sie fast täglich. Überprüfen Sie nun, wie gut Sie die Arbeit in Ihrem Verantwortungsbereich organisieren. Reagieren Sie eher spontan? Sind Sie ein sogenannter Stoßarbeiter, der erst im Stress so richtig in Fahrt kommt? Dann werden Ihre Mitarbeiter höchstwahrscheinlich an Ihrer mangelnden Planung leiden. Auch wenn die Mitarbeiter nämlich selbst planvoll vorgehen und Ihren Arbeitstag durchstrukturiert haben, werden sie durch Ihre spontan wechselnden Prioritäten aus ihren Abläufen herausgerissen und erleben sich als nicht im gehofften Maße effizient. Sie können jetzt sicher nachvollziehen, wie groß die Lust Ihrer „Untergebenen“ ist, nach Feierabend die Fehler Ihrer Missorganisation auszubügeln.
Wenn alles so nicht zutrifft, sondern einfach zu viel Arbeit einem zu geringen Einkommen gegenübersteht, dann ist es an der Zeit, mit einem (preiswerten) Unternehmensberater das Geschäft grundsätzlich zu überdenken. Preiswert sind z.B. ehrenamtliche, häufig Geschäftsführer im Ruhestand, die Ihr Wissen aus Leidenschaft teilen.

Fall 3: Der Mitarbeiter schwatzt lieber mit den Kollegen als die Schreibtischarbeit zu erledigen.

Die Mitteilungsfreude, das Bedürfnis nach Austausch ist bei Menschen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Es ist anzunehmen, dass Sie als Chef ein sehr sachlicher, zielorientierter Mensch sind, wenn Sie diese Eigenart eines Mitarbeiters (häufig: Mitarbeiterin) ganz besonders stört.
Die meisten Mitarbeiter schwatzen gern. Viele sind vor allem deshalb an Ihre Firma gebunden, weil Sie sich im Kreis der Kollegen zu Hause fühlen. Das soziale Umfeld ist Ihnen wichtig. Sie sind häufig sehr hilfsbereit und sorgen für menschliche Wärme im Betrieb. Nicht zu unterschätzen ist Ihr Wissen und Ihre Weisheit, was Zwischenmenschliches, Einstellungen und Bedürfnisse der Kollegen anbetrifft. Als Informationsquelle für den Chef sind sie ein Schätzkästchen. Man muss es nur wertzuschätzen und zu öffnen wissen. Da ihnen das Herz mehr auf der Zunge liegt als zurückgezogenen Menschen, sind Sie wie eine Art Stimmungsbarometer. Von Ihnen erfahren Sie, wie die Mannschaft gerade „tickt“. Sie eignen sich auch hervorragend als Kommunikationskanal. Botschaften, die Ihnen schwerer fallen, sind somit unkompliziert auf den Weg gebracht.
Vorsicht: Verscherzen Sie es sich nicht mit einem redseligen Kollegen. Das macht dann gleich die Runde. Sprechen Sie den Kollegen freundlich, eventuell auch verschmitzt an: „Es ist immer wieder spannend, Ihnen zuzuhören, nur die Arbeit dürfen Sie darüber bitte nicht vergessen!“ oder „Wenn wir Sie nicht bei uns hätten, Herr/ Frau Meier, wäre die Welt etwas kühler. Dennoch, die Arbeit muss getan werden!“ oder: „Ich weiß, dass es wichtig ist, auch hin und wieder über Gott und die Welt zu reden. Ich mache mir aber Sorgen, dass Sie Ihre Arbeit nicht schaffen. Wie Sie wissen, müssen die Aufträge XYZ heute unbedingt noch erledigt werden. Ich verlasse mich auf Sie!“
Kommunikative Menschen kommen häufig vom Hundertsten ins Tausendste und sind dankbar, wenn man sie an ihre eigentlichen Aufgaben erinnert. Häufig sind sie auch selbst erschrocken, dass sie sich wieder einmal verplaudert haben.
Noch eine Überlegung: Wie stillen Sie das Kommunikationsbedürfnis Ihrer Mitarbeiter? Wie viele offizielle Austauschmöglichkeiten haben Sie bewusst geschaffen? Wie werden Pausen bei Ihnen verbracht? Erwarten Sie, dass jeder am Schreibtisch seinen Kaffee alleine schlürft oder gibt es gemeinsam organisierte Pausen?

Nehmen Sie Ihre Mitarbeiter regelmäßig zu Teamsitzungen zusammen? Gibt es auch einmal einen Abend bei Bier oder Wein? Wie häufig hat ein Kollege die Chance auf ein Gespräch mit Ihnen ganz persönlich?

Fall 4: Der Mitarbeiter vertrödelt sich in der Kaffeeküche anstatt die Kunden anzurufen.

Was läuft hier schief? Hat der Mitarbeiter Angst vor dem Kunden? Eine sogenannte Telefonhemmung ist gar nicht so selten. Es könnte gut sein, dass sich Ihr Mitarbeiter innerlich windet und sich drückt. Für viele Menschen ist es sehr unbehaglich, jemanden anzurufen, der ihm fremd ist, dessen Gesicht man nicht sehen kann. In welche Situation hinein ruft man an? Stört man? Trifft man auf jemanden, der sich gerade über etwas ganz anderes geärgert hat und nun einen Blitzableiter sucht?
Die Ängste sind vielfältig und auch nachvollziehbar. Wäre es anders, würden der Markt von Außendienstmitarbeitern, Kundenakquisiteuren nur so überquellen. Das ist nicht der Fall. Nur wenige bringen ein Talent und die nötige Unbeschwertheit dafür mit. Ihr Mitarbeiter braucht Schulung und Training. Wie viele Weiterbildungen zu diesem Thema haben Sie ihm bereits ermöglicht? Vielleicht reicht es schon aus, wenn Sie sich mit ihm hinsetzen und ihn selbst anleiten. Wer die Gesetzmäßigkeiten der Kommunikation zu verstehen beginnt, baut Schritt für Schritt seine Scheu vor dem Telefonieren ab. Vielleicht wird er sogar zum Trophäenjäger, wenn er durch Gesprächserfolge seine Macht als Kommunikator erfährt.
Noch eine Frage: Zu welchem Thema soll er den Kunden eigentlich anrufen? Muss er gegebenenfalls Für Dinge herhalten, die er nicht verursacht hat und nicht beeinflussen kann, sprich, die auf Fehlleistungen anderer zurückzuführen sind. Erlebt er, dass an den Ursachen dieser Mängel nicht genügend gearbeitet wird, erlebt er seine Bemühungen daher als Sisyphosarbeit – ohne Hoffnung auf Veränderung!

Finden Sie heraus, welche Art Barriere Ihren Mitarbeiter an die Kaffeeküche bindet, anstatt ihn vielleicht insgeheim als faul und bequem abzustempeln.